Berichte von Zeitzeugen


Fasching in meiner Kindheit  

von Lydia Willner geb. 1926

 

In Stockheim wurde schon immer Fasching gefeiert. Nur in bescheidenen Maßen.

 

Am Vormittag des Faschingdienstag haben Jungbauern die Pferde geschmückt und sind nach Brackenheim zur Firma Bleyle gefahren, um dort die jungen Arbeiterinnen abzuholen. Die Firma Bleyle gab den Mädchen selbstverständlich frei. Sie fuhren von Brackenheim nach Güglingen und gegen 11.00 Uhr war man dann wieder in Stockheim und da wurde auf dem Marktplatz bis 12.00 Uhr getanzt. Anschließend ging es heim zum Mittagessen und um 13.30 Uhr traf man sich wieder auf dem Marktplatz. Es fing an mit einem Tanz und anschließend ging es durch den Ort von einer Wirtschaft in die andere. Die Wirte spendierten Getränke und die Kinder gingen damals schon von Haus zu Haus und bekamen eine Kleinigkeit (Fasnachtsküchle).

 

Am Abend war der Treffpunkt wieder auf dem Marktplatz, dort wurde wieder getanzt und anschließend ging es in das Gasthaus „Zur Sonne“ oder „Traube“. Der Sonnensaal war größer. Das kleine Stockheim hatte viele musikalische Familien, so dass immer Jemand da war, der Tanzmusik spielen konnte. 1937 wurde zum ersten Mal am Fasching ein Kinderwagen-Rennen gemacht. Wenn sie unten im Dorf waren, fingen sie oben wieder an.

 

Der Sonnenwirt hatte auch schon Kappenabende organisiert und Kostüme prämiert. Auch haben schon kleine Gruppen sich Tage vor Fasching verkleidet und die gingen jeden Abend in eine andere Gaststätte. Die Leute rätselten wer das wohl sei und sie meinten die müssten von Auswärts kommen. Es warten aber 3 oder 4 junge Mädchen von Stockheim, die sich verkleideten, dass man sie nicht erkennen konnte. Am Faschingsdienstag kamen sie auch in die Gaststätte „Zum Lamm“ dort bekamen sie den Wein vorgestellt und das war eine tolle Sache. Mein Vater kam auch und wollte sie begrüßen und plötzlich fing er an zu lachen und sagte zu einer der Personen, Großvaters Stock hättest nicht mitnehmen sollen, dann hätte euch niemand erkannt. Die Enttäuschung bei den Mädchen war groß. Um 24.00 Uhr war alles vorbei und die Kirche war in der Frühe des Aschermittwoch voll, so wie sonst an hohen Feiertagen.

 

 

 

Hexengeschichte

von Regina Haberkern geb. 1930

 

Seit ich denken kann, wurde in Stockheim Fastnacht gefeiert. Schon meine Eltern, sind in dieser Zeit ausgegangen. Als Kinder sind wir an Fastnacht von Haus zu Haus gegangen und haben überall etwas bekommen. Als Jugendliche sind wir durch die Straßen gezogen, nach Haberschlacht oder Kleingartach gegangen oder gefahren. Auf freien Plätzen haben wir getanzt.

 

Im Jahre 1975 hat Helmut Kromik damit begonnen einen Umzug zu organisieren. Im ersten Jahr hat es im Zug keine Hexen gegeben. Habe das mit Herrn Kromik besprochen und er meinte, ich sollte die Hexen übernehmen. Es mussten Röcke und Unterhosen genäht werden. Kopftücher musste ich auch besorgen. Die ersten Masken waren aus Plastik und man konnte darunter kaum atmen, ich habe dann begonnen die Masken selbst zu machen. Erst habe ich es mit Gaze probiert, aber die waren nicht schön. Dann habe ich mit Zeitungspapier und Kleister experimentiert und so langsam die Technik verbessert. Vor 5 Jahren habe ich für alle Hexen gleiche Kopftücher gekauft. Das andere Zubehör wird von mir immer wieder ergänzt, Zum Beispiel: Besen oder Unterhosen.

 

Die Gruppe setzt sich aus Frauen, Männern und Jugendlichen zusammen, sie kommen an Fastnacht zu mir in die Wohnung um sich umzuziehen. Da die Kleider und Masken bei mir sind, gibt es keine Probleme. Mein Bruder fährt uns kurz vor Beginn des Zuges ins Dorf. Nach dem Umzug, wenn alle müde und verschwitzt sind, setzen wir uns bei Kaffee und Kuchen zusammen und bereden nochmals den Umzug. Es ist immer sehr gemütlich.

 

 

 

Fasching - Fasnet - Stockheim

von Anneliese Kromik geb. 1942

 

In Stockheim ist schon seit Großelterns Zeiten alte Tradition, Fasnet zu feiern. Bilder belegen um 1925/30 2 Wagen, von Pferden gezogen, die auch in umliegende Dörfer zogen und dann in Stockheim einkehrten. Frau Danner (Bürgermeister) erzählte mal, dass die Burschen ihre Mädchen bei Fa. Bleyle in Brackenheim mit dem Festwagen geschmückt, abgeholt haben. Als Kinder ist man nachmittags von Haus zu Haus an die Türen und hat verkleidet um Gaben gesungen.

 

Vers:   
Fasnacht, Pfanna kracht, Küchle sen scho backa
isch a gute Fra em Haus, schmeißt se au a Küchle raus
Küchle oder Speck - oder mir schlaga d'Haustür weg!

 

Dies wird von Kindern heute noch praktiziert, wie auch nach dem Krieg.

Ca. 1957 fing man wieder an, Faschingswagen mit Traktor zu schmücken und fuhr lustig nach Haberschlacht oder Kleingartach und tanzte dort auf der Straße. Ein Musikant war immer dabei. Anschließend zog man auch in Stockheim von Wirtschaft zu Wirtschaft.

 

Mit Lehrer Helmut Kromik fing man faschingsdienstags vormittags an, in Kostümen zur Schule zu kommen, wo gefeiert wurde. Anschließend ging’s auf die Straßen und man bot einen kleinen Umzug und machte Spiele am Marktplatz wie z.B. Kinderwagen-Rennen oder Sackhüpfen o. ä. Dazu gesellten sich auch schon Zuschauer.

 

Helmut Kromik dehnte später den Faschingsbrauch aus, animierte die Bevölkerung und es entstand um 1974/1975 der erste Umzug. Die Gruppen boten private Späße, die im Laufe des Jahres ausgedacht wurden. Auch spontan gesellten sich Gruppen dazu. Alle Vereine, Sportverein, Gesangverein, Landfrauen, Kindergarten, Schule, Privatleute, Bauern und Handwerker waren mit dabei. Die Frauen-Gymnastik-Gruppe tanzte als "Maschengarde" die ersten Jahre am Marktplatz. Mit einzelnen Musikern ging es dann weiter in die Wirtschaften. Für die Kinder ging’s anschließend zum Kinderfasching in die Halle, Prominente Künstler, wie Colin Wilkie, waren ebenso dabei wie auch das Duo "Helmondo-Schellini". Jedes Jahr fanden sich einige Musiker bereit, die Kinder zu unterhalten.

 

Der erste große organisierte Umzug war 1975. (s.Mitteilungsblatt) Es fehlten jedoch noch Musikkapellen. Durch private Kontakte konnten(79) zuerst die Güglinger Fanfaren, dann die Freudentaler Fanfaren und Rohrbach gewonnen werden (1980). Später kam die Jugend-Kapelle Brackenheim (1981) dann Pfaffenhofen, Angelbachtal und Zaberfeld hinzu. Durch die Freudentaler wurden auch die Wobach-Spatzen und das Prinzenpaar aus Bietigheim gewonnen (für einen kleinen Obolus oder Buskosten waren alle bereit). Die Reiter vom Fallerhof waren von Anfang an dabei. Da Tausende Zuschauer kamen und die Gaststätten voll waren, fing man an, Stände am Straßenrand aufzustellen, Würste und Glühwein anzubieten.

 

Die gesamte Organisation lag in den Händen von Helmut Kromik. Er hatte jedoch viele Helfer, die er "delegierte".

 

Eine Zusammenkunft mit Film oder Dia-Schau fand zuerst immer am 11.11. statt. Später gestaltete man einen "Dorffasching" bei dem alle Umzugsbeteiligten ein wenig feiern konnten und auch Einlagen, Tänze oder Sketche boten. Nach dem Tod von Helmut Kromik 1995 wurde die Organisation auf verschiedene Personen verteilt.

 

 

 

Meine Berührungspunkte mit dem Stockheimer Fasching  

von Thomas Bölz geb. 1962

 

Im Alter von 15 Jahren wurde ich Bürger des kleinen idyllischen Weinortes. Bereits im darauf folgenden Jahr 1978 war ich Teilnehmer am Faschingsumzug. Damals war mir nicht bewusst, wie jung die Tradition des Faschingsumzugs in dieser Form in Stockheim war, in meiner Vorstellung gab es dieses Brauchtum schon immer. In den Jahren 79 bis 81, während meiner Ausbildung zum Fleischer bei der Familie Klein, war es selbstverständlich, dass wir – die Belegschaft der Metzgerei Klein und der Gastwirtschaft „Lamm“ - mit einem Wagen und tollen Verkleidungen am Umzug teilnahmen.

 

Nach meiner Ausbildung habe ich Stockheim verlassen, um nach einigen Jahren der Abstinenz Mitte der Achtziger wieder nach Stockheim zu ziehen und die nächsten Jahre den Faschingsumzug als Zuschauer zu betrachten.

 

Erst 1991, als unser ältester Sohn im Kindergarten in Stockheim ganz selbstverständlich am Umzug dabei war, flammten auch meine Aktivitäten wieder auf. Als Vater baute ich am Wagen des Kindergartens mit. Im folgenden Jahr war auch ich wieder Teilnehmer am Umzug, gemeinsam mit Schwester Leandra und dem damaligen Pfarrer umrahmten wir den Wagen der Kindergartenkinder unter dem Motto „Karneval der Tiere“ als Elefantenbaby.

 

In den nächsten Jahren entwickelten sich der Wagenbau und das Herstellen aufwändiger Kostüme zum Winterhobby der ganzen Familie. Der Freundeskreis aus Stockheim musste nicht lange gebeten werden und war sehr engagiert mit dabei.

 

Als dann der „Vater des Stockheimer Faschings“ 1995 ganz überraschend nicht mehr zur Verfügung stand, übernahm ich als Teil des gegründeten Organisationsteams die Rolle der Finanzverwaltung und unterstützte bei organisatorischen Fragen. Damals war mir der Sinn der Aufgabe „Gesamtleitung“ in ihrer ganzen Konsequenz nicht bewusst, habe diese aber dennoch übernommen.

 

In der Zeit bis 2000 konnte unsere Interessengemeinschaft immer mit einem Beitrag beim Umzug dabei sein, obwohl acht der insgesamt 11 Mitglieder des Faschings Ausschuss schrittweise ihre übernommenen Aufgaben an die Gesamtleitung abgegeben haben. In dieser Zeit moderierte ich den Kinderfasching, trat als Clown auf, verhandelte mit der Stadt, den Polizeibehörden, dem Finanzamt, der GEMA, ... mittlerweile hat sich um die Gesamtleitung ein kleines schlagkräftiges Team etabliert, das dafür sorgt, dass weder die Zuschauer, noch die Beteiligten die Organisation als Belastung empfinden – es funktioniert!

 

 

 

Die fünfte Jahreszeit in Stockheim  

von Iris Reistenbach – Bahm geb. 1967

 

Als Stockheimer-Kind bekommt man die Narretei schon in die Wiege gelegt. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, einen Faschingsdienstag ohne Umzug und närrisches Treiben.

 

Schon im Kindergarten wurde mitgemacht, es gab an diesem Tag morgens süßen Sprudel statt den Tee und mittags durften wir mit unseren prächtigen Kostümen zusammen mit Schwester Similina, auf den toll geschmückten Wagen sitzen um Bonbons zu werfen. Als ich dann zur Schule ging, nahm man von dort aus am Umzug teil, danach zog man durch den Ort und sammelte in jedem Haus mit einem Sprüchlein (siehe Frau Kromik) Süßigkeiten ein. Als einige Jahre später Herr Kromik den Kinderfasching einführte ging man dort hin und die Süßigkeiten wurden morgens gesammelt. Leider hatten wir am Anfang meiner Schulzeit noch keine Faschingsferien und so musste man immer zu Bett, wenn's am Schönsten war.

 

Am Umzug teilzunehmen ist für mich heute noch selbstverständlich, egal ob als Sammlerin oder in einer Gruppe, das Faschingsfieber lässt einen nicht los. Noch heute gehe ich anschließend zum Kinderfasching in die Turnhalle, allerdings diesmal als Organisator und führe dort durch das Programm. Neben einer Spielstraße, Tänzen und Spiele kommt jedes Jahr ein Künstler welcher dann die Kinder "verzaubert" und unterhält, die Grundschule bewirtet mit Kaffee und Kuchen, für Getränke und heiße Würste sind seit einigen Jahren Fam. Fiesel zuständig. Zum Schluss werden noch die drei schönsten Kinderkostüme mit einem Orden prämiert. Nach den Aufräumarbeiten ziehen wir Erwachsene dann los und genießen noch das wilde Treiben, nach einer guten Stärkung in einer Gaststätte geht es zum Abschluss in die Halle von Uli.

 

Am Aschermittwoch ist dann alles vorbei und man freut sich schon wieder auf den nächsten Faschingsdienstag.

 

Quelle: Heimatbuch